Belletristik

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Buchempfehlung Belletristik

Autor
Ha Jin

Der ausgewanderte Autor

Untertitel
Über die Suche nach der eigenen Sprache. Aus dem Amerikanischen von Susanne Hornfeck
Beschreibung

Ein Autor ist in besonderem Maße mit der Kultur seiner Herkunft verbunden. Sie bestimmt bewusst oder unbewusst, gewollt oder ungewollt seinen Blick auf die Welt und versieht ihn mit sprachlichen Mitteln und Material für seine Arbeit. Was aber geschieht, wenn ein Autor sein Heimatland verlässt und sich vielleicht sogar entscheidet, in einer anderen als der Muttersprache zu schreiben? In seinem Essayband „Der ausgewanderte Autor. Über die Suche nach der eigenen Sprache“ bemüht sich Ha Jin anhand von Beispielen aus der Literaturgeschichte und nicht zuletzt auch aus eigenen Erlebnissen um eine Antwort.
(ausführliche Besprechung unten)

Verlag
Arche Verlag, 2014
Format
Gebunden
Seiten
144 Seiten
ISBN/EAN
978-3-7160-2708-0
Preis
15,00 EUR

Zur Autorin/Zum Autor:

Ha Jin, eigentlich Jin Xuefei, wurde 1956 geboren und verließ China 1985, um in den USA zu studieren. Nach dem Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens kehrte er nicht mehr zurück, seit 1997 ist er US-Staatsbürger. Früh begann er, auf Englisch zu schreiben, heute zählt er zu den wichtigsten Autoren der amerikanischen Gegenwartsliteratur. Seine Werke wurden u. a. mit dem National Book Award und dem PEN/Faulkner Award ausgezeichnet. Ha Jin ist Professor
für Englische Literatur an der Boston University.

Zum Buch:

Ein Autor ist in besonderem Maße mit der Kultur seiner Herkunft verbunden. Sie bestimmt bewusst oder unbewusst, gewollt oder ungewollt seinen Blick auf die Welt und versieht ihn mit sprachlichen Mitteln und Material für seine Arbeit. Was aber geschieht, wenn ein Autor sein Heimatland verlässt und sich vielleicht sogar entscheidet, in einer anderen als der Muttersprache zu schreiben? In seinem Essayband „Der ausgewanderte Autor. Über die Suche nach der eigenen Sprache“ bemüht sich Ha Jin anhand von Beispielen aus der Literaturgeschichte und nicht zuletzt auch aus eigenen Erlebnissen um eine Antwort. Ha Jin, geboren 1956, hat selbst vor knapp dreißig Jahren sein Heimatland China verlassen und ist in die USA gezogen. Eigentlich wollte er nach der Promotion in sein Heimatland zurückkehren, aber nach dem Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens 1989 entschied er sich, in den USA zu bleiben. So wurde aus ihm ein „ausgewanderter Autor“, und er entschloss sich nach einigem Zögern, fortan auf Englisch zu schreiben.

In seinem ersten Essay, „Der Sprecher seines Stammes“, macht er unter anderem deutlich, wie eng die Auswanderung eines Autors mit der alten Frage nach der Aufgabe des Schriftstellers zusammenhängt. Ha Jin unterscheidet zwischen dem Autor als schreibendes und als soziales Wesen. Oft habe der Autor, der sein Heimatland aus politischen oder wirtschaftlichen Gründen verlassen hat, das Gefühl, er müsse mit seinem Werk für seine Landsleute eintreten, die er in der prekären Situation zurückgelassen hat. Im Dienste seines Werks jedoch müsse sich der Autor von dieser Verpflichtung, diesem Schuldkomplex lösen. Die Aufgabe des Schriftstellers, so Ha Jin, ist nicht die zwar wichtige, langfristig aber kontingente Dokumentation bestehender Verhältnisse, sondern eine ästhetische Verdichtung der Wirklichkeit mit bleibendem Wert.

„Die Sprache des Verrats“ nennt Ha Jin den zweiten Teil seines Essaybandes. Hier widmet er sich Autoren, die sich entschieden haben, in einer Sprache zu schreiben, die nicht ihre Muttersprache ist. Die Gründe dafür sind unterschiedlich, die Anfeindungen seitens der alten oder neuen Landsleute gegen diese Sprachwechsler jedoch häufig ganz ähnlich. Überzeugend erläutert er hier seine Position, dass das Schreiben in einer fremden Sprache nicht nur sehr wohl möglich, sondern auch ästhetisch innovativ wirken kann. Er veranschaulicht dies eindrücklich am Beispiel von Nabokovs einzigartigem Umgang mit der englischen Sprache.

Ha Jin plaudert über „Wanderer zwischen den Welten“ wie Vladimir Nabokov, Lin Yutang, Joseph Conrad, Milan Kundera, V. S. Naipaul und Alexander Solschenizyn, als seien es alte Bekannte, und allein schon wegen der Textauswahl, die er in seinem Essays vorstellt, ist dieses Buch lesenswert. Im letzten Essay des Bandes, „Die Heimat des Einzelnen“, plädiert der Autor dafür, lieber vom Ankommen zu träumen und alles daran zu setzen, sie zu verwirklichen, als wegen der Unmöglichkeit der Heimkehr zu verzagen. So nimmt er mit seinen Essays dem „Heimweh“ das „Weh“, dem Leser aber schenkt er eine lohnende Lektüre.

Alena Heinritz, Mainz